28. August

    Mein Herz tanzt.

    Die Welt der Musik im OP.

    Können Sie sich die Blockbuster „Dirty Dancing“ oder „Rocky“ ohne Filmmusik vorstellen? Ist es nicht sogar so, dass Ihnen beim Lesen dieser Filmtitel direkt ein Lied in den Sinn kommt? Das Spielen von Musik verleiht einer Szene Charakter, indem sie eine

    Verbindung zum Bild und zu unserer emotionalen Welt herstellt. Dabei ist Musik an sich nicht originär: Hören Sie beim Lesen eines spannender werdenden Textes plötzlich einen dringlich näher kommenden Ton? Spielen die Saiten einer Geige auf, wenn Sie Vögeln beim Fliegen in einem Schwarm zusehen? Ertönt ein Trommelwirbel, wenn Sie kurz vor dem Halten einer Präsentation stehen? – Unser Leben an sich ist still, Musik lediglich ein Zusatz, der unsere Gefühlswelt berühren soll. 

    Doch was passiert, wenn wir zum Beispiel die falsche Hintergrundmusik hören? – Um dies herauszufinden, teilte Rachel Beattie von der Universität von Südkalifornien im Jahre 2011 37 Studenten in zwei Gruppen ein. Zunächst sollten beide Gruppen Texte lesen und verstehen, ohne Störgeräuschen ausgesetzt zu sein. Beide Gruppen schnitten gleich gut ab. Als dann die zweite Gruppe Musik zu hören bekam, sank ihre Leistung unmittelbar signifikant ab. Die Versuchsreihe zeigte, dass Musik unsere Leistung massiv beeinträchtigen kann. Weitere Studien verdeutlichten, dass Rhythmen, die häufig wechseln und aggressiv sind, der Konzentration eher schaden.

    Wenn uns Musik derart beeinflusst, liegt es nicht nahe, zu hinterfragen:
    Wie können wir Musik so einsetzen, dass sie uns nutzt?!

    Dass die richtigen akustischen Reize im Handel für mehr Umsatz sorgen, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Auch hebt es unsere Laune, wenn wir unseren Lieblingssong hören. Die richtige Aneinanderreihung von Noten, der richtige Rhythmus kann sich auch positiv auf unsere Leistung auswirken. Wissenschaftler vom Max Planck Institut in Leipzig, Deutschland, wiesen 2012 nach, dass uns unsere Lieblingsmusik härter arbeiten lässt. Die Blutwerte der Probanden des Experiments ergaben, dass die Teilnehmer, die beim Workout ihren Lieblingsliedern lauschten, härter arbeiteten, intensiver Sauerstoff atmeten und weniger Energie verbrauchten. Bereits mehr als 10 Jahre zuvor konnten Forscher zeigen, dass Musik die Produktivität im Job steigert, als Wissenschaftler um David Hargreaves 72 Angestellte einer britischen Bank drei Wochen lang mit unterschiedlicher Musik beschallten. Der Rhythmus ist das entscheidende Kriterium für mehr Leistungsfähigkeit, insbesondere bei monotonen Arbeiten oder Nachtschichten.

    Was können diese Erkenntnisse für die Gesundheitsbranche bedeuten? Operieren wir mit höheren Beats per Minute genauer, schneller, oder entspannter? Versorgen wir Patienten einfühlsamer ohne störende Hintergrundmusik?

    Seit mehr als 100 Jahren diskutieren Forscher zum Thema. Im OP-Saal treffen verschiedene Professionen aufeinander. Sie arbeiten hoch konzentriert und verfolgen ein gemeinsames Ziel, jedoch steht hinter dem beruflichen Aushängeschild eines jeden Menschen ein Charakter, der sich in individuell bevorzugten Musikrichtungen widerspiegelt. Wie Forscher um Sharon-Marie Weldon vom Imperial College London im „Journal of Advanced Nursing“ schreiben, werden mittlerweile 50 bis 70 Prozent aller Operationen weltweit musikalisch begleitet. Um musikalische Vorlieben zu vereinbaren und zu einem harmonischen Arbeitsablauf beizutragen, kann es empfehlenswert sein, sowohl Interpreten, Stimmlagen als auch Genres immer wieder zu wechseln bzw. sich auf Musikrichtungen zu einigen.

    Weltweit werden mittlerweile 50 bis 70 % aller Operationen musikalisch begleitet.

    Musik, die ihre Laute aus der Natur bezieht, wie das Rauschen von Wellen, das Prasseln von Regen auf ein Stück Holz oder Glas, sorgt für ein konzentriertes und entspanntes Umfeld, das das Leistungsvermögen steigert. Auch führt klassische Musik zu einer gesteigerten Konzentration. Der subjektiv zugemessene Wert der eigenen Aufgabe kann durch das Hören epischer, tragender Musik gesteigert werden. Schon vor 100 Jahren schrieb der US-amerikanische Chirurg Evan Kane über die positiven Effekte des Phonographen im OP-Saal. Dass der Informationsaustausch mit dem OP-Personal reibungslos erfolgen kann, ist dabei natürlich sicherzustellen. Daher entscheidet auch manche Klinik, ob Musik im OP grundsätzlich geduldet wird. Besonders in den schwierigen Minuten und Stunden einer Operation kann Musik ablenken oder aber das Tempo des Teams und die Konzentration vorantreiben. Sind die OP-Akteure motiviert, kann eine Operation umso besser, schneller und schwungvoller gelingen.

    Finnische Forscher fanden heraus:
    Die persönliche Lieblingsmusik hilft auch Herzinfarktpatienten bei der Genesung.

    Welche Rolle spielt der Patient in diesem musikalischen Zusammenspiel?

    Das finnische Forscherteam um Teppo Sarkomo von der Universität von Helsinki fand heraus, dass von 60 untersuchten Herzinfarktpatienten diejenigen die größten Fortschritte machten, die zwei Monate lang ihrer Lieblingsmusik lauschten.

    Bevorzugt wiederkehrende Muster in Stücken können beruhigend auf Patienten wirken und durch Anregung der Produktion von Botenstoffen von Schmerzen ablenken. Nach Auswertung von 72 Studien und Fachartikeln mit Erfahrungen von knapp 7.000 Patienten erkannten britische Forscher, dass geeignete Musik Schmerzen lindern und Patienten beruhigen kann – und zwar vor, während und nach einem Eingriff. Schon Aristoteles wusste um die heilende Wirkung der Musik, weshalb sie seit etwa zwei Jahrtausenden zur Therapieunterstützung von körperlichen und seelischen Leiden eingesetzt wird. Mehrere Studien belegen den Nutzen der Musik im OP-Saal – und zwar für Patienten und Chirurgen gleichermaßen.

    Es bleibt festzuhalten, dass das gemeinsame Eintauchen in die Welt der Töne beim Operieren empfohlen werden kann. Dabei sind die Vorlieben von Operateur, Pflegepersonal und Patient zu berücksichtigen. Ein Konsens könnte sein, dass einem Lied eines bestimmten Genres ein anderes Lied eines anderen Interpreten und anderen Genres folgt, während die Lautstärke auf gleichem Niveau bleibt. Auch sollte der Patient aus Compliance-Sicht gefragt werden, ob er überhaupt Musik hören möchte. Einen unterhaltsamen, nicht ganz wörtlich gemeinten Mix an Liedern bietet die Spotify Playlist an, die wir speziell für Ihren OP-Saal erstellt haben.

    Der Patient sollte aus Compliance-Sicht gefragt werden, ob er während seiner OP überhaupt Musik hören möchte.