das magazin / 1. Juni

    „Der Stellenwert der Wundtherapie im Gesundheitswesen muss sich ändern!“

    Interview mit Dr. Markus Duft

    OrtWien
    BerufFacharzt für Allgemeinchirurgie
    Besondere TätigkeitenDiplom für Notarztmedizin, Zertifikat für Ärztliche Wundbehandlung, Obmann des Vereins „Wund Management Wien“
    Praxiserfahrung19 Jahre
    Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Arbeitsalltag?

    Den Fokus nicht zu verlieren und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren stellt sich im Arbeitsalltag immer wieder als Herausforderung dar. Die Flut an Technologie und an Behandlungsmöglichkeiten zwingt einen in der Medizin immer wieder zum Aktionismus. Zu oft fehlt der Blick auf jene Symptome, die den Patienten wirklich beschäftigen, die den größten Leidensdruck mit sich bringen. Varizen sind hier ein gutes Beispiel. Schnell wird Patienten geraten, diese entfernen zu lassen, ohne das Beschwerdebild im Detail zu analysieren. Sind es die schweren und müden Beine, oder ist es die unschöne Optik, die den Patienten besonders stören?

    Wie gehen Sie vor in solchen Fällen, in denen ein Patient auf Sie zukommt, mit einem bereits konkret geformten Behandlungswunsch?

    Ich hake nach, frage nach dem konkreten Beschwerdebild. Oftmals antworten Patienten dann mit einer Diagnose. Hier gilt es, die Aufmerksamkeit wieder auf die tatsächlichen Beschwerden zu lenken und in der Behandlung auf diese einzugehen. Dabei muss man natürlich unterscheiden zwischen einer chronischen Erkrankung mit der man gut leben kann und einem Leiden, das langfristig ernstere Konsequenzen mit sich bringt.

    Was ist Ihnen im Umgang mit Patienten noch wichtig?

    Dass man sie stets ernst nimmt und auf Augenhöhe agiert. Mit einem hohen Maß an Empathie und Professionalität. Dabei würde ich Probleme niemals kleinreden, gleichzeitig aber auch nicht den Teufel an die Wand malen. Die Adhärenz steigere ich lieber dadurch, dass ich Patienten eine „intrinsische“ Motivation gebe, am Behandlungserfolg mitzuarbeiten.

    Sie sind als Wundexperte bekannt. Wie schaffen Sie es, auch hartnäckigen Wunden zur Heilung zu verhelfen?

    Mein primäres Ziel ist es nicht, Wunden zur Abheilung zu bringen. Bei vielen Wunden wäre es utopisch, einem Patienten eine Abheilung innerhalb eines gewissen Zeitraums zu versprechen. Lieber einige ich mich gemeinschaftlich auf Etappenziele, an denen wir arbeiten können. Auch das entspricht der Orientierung am Beschwerdebild. Während den einen die Bewegungseinschränkung durch den Verband stört, leidet der andere am Geruch und der nächste am Exsudat. Das sind genau die Punkte, auf die ich dann näher eingehe. Den Fokus auf die subjektiv empfundene gesundheitsbezogene Lebensqualität zu legen, hilft die Therapieadhärenz signifikant zu steigern, was sich positiv auf die Abheilung von hartnäckigen Wunden auswirkt.

    Wo sehen Sie häufige Fehler in der Behandlung von chronischen Wunden?

    Wenn man die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der Mediziner verpflichtet sind. Vergleichen wir es einmal mit dem Straßenverkehr. Wir haben gewisse Grundregeln, wie wir uns verhalten sollen. Wenn ich gegen diese verstoße, muss ich mit einer Konsequenz rechnen. Das gleiche gilt auch in der Medizin. Wir haben Leitlinien, die uns in unserem Tun lenken sollen. Leider finden nicht immer alle in den Leitlinien festgehaltenen Empfehlungen Beachtung. Die Kompressionstherapie bei der Behandlung des Ulcus cruris venosum ist ein solches Beispiel. Sie wird oft vernachlässigt da den Verbandstoffen mehr Augenmerk geschenkt wird. Sie ist aber von enormer Wichtigkeit für den Behandlungserfolg.

    Gibt es Ihrer Meinung nach Indikationen, für die es komplett neue Lösungen braucht?

    Für die lokale Wundbehandlung gibt es bereits eine sehr breite Palette an Produkten, die auf unterschiedlichste Wundverhältnisse abgestimmt sind. Für Patienten mit dem diabetischen Fußsyndrom würde ich mir aber zum Beispiel Lösungen für eine schnelle diabetische Schuhzurichtung wünschen, um pathologische Fußdrücke reduzieren zu können. Es dauert oft Monate, bis ein Diabetiker eine Schuhzurichtung bekommt. Ich könnte mir vorstellen, dass man dies heutzutage zum Beispiel mit einem 3D-Drucker deutlich schneller lösen könnte. Auch für Rollstuhlfahrer mit einem Decubitus brauchen wir neue Lösungen. Hier gilt es zu beweisen ob eine Sitzauflage zu einer ausreichenden Druckumverteilung führt, oder ob nicht die Anfertigung einer Sitzorthese indiziert ist. Die Technologien sind da, wir müssen sie nur richtig nutzen und für diese Untersuchungen benötigen wir auch eine entsprechende Finanzierung durch die zuständigen Krankenkassen.

    Sehen sie auch den Bedarf, Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen zu ändern?

    Ich glaube der Stellenwert der Wundtherapie im Gesundheitswesen muss sich ändern. Gerade unter Medizinern wird diese oft noch als nebensächlich abgetan. Dabei bräuchte es eine viel intensivere Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen – von Internisten, über Chirurgen, bis hin zu Dermatologen oder Orthopäden: jeder hat etwas beizutragen. Aus diesem Grund würde ich mir wünschen, dass es mehr Schwerpunkt-Räumlichkeiten gibt, sei es ambulant oder stationär, die als Anlaufstelle dienen und in denen ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt wird. Auch eine entsprechende Honorierung für spezielle Untersuchungen wie Gefäßabklärungen, Auflagedruckmessungen, Fußuntersuchungen oder ambulante Eingriffe wie das Ulcus Debridement in Sedierung sowie Mittel für die Patientenedukation wären wichtig.

    Bei all diesen Herausforderungen, was bereitet Ihnen die größte Freude in Ihrem Arbeitsalltag?

    Die größte Freude bereitet mir immer wieder, wie Menschen einem das Vertrauen aussprechen ohne, dass sie einen kennen. Dieses Vertrauen ist für mich ein ganz Besonderer Ausdruck von Dankbarkeit.

    Dr. Duft, wir danken Ihnen für das Gespräch!